Anwendungsideen für den gemeinwohlorientierten Algorithmen- und KI-Einsatz zu finden – das war das Ziel der Tech-Exploration. Binnen sechs Wochen haben vier Explorationsteams in vier Wohlfahrtsorganisationen konkrete Anwendungsideen in Zusammenarbeit mit den Mitarbeiter:innen und Klient:innen erarbeitet und auf der Abschlussveranstaltung präsentiert.

Hohe administrative Arbeitsbelastung bei Pädagog:innen, Menschen, die an Strukturgrenzen unserer Gesellschaft stoßen, unpassende Konstellationen in Selbsthilfegruppen –  diese Schwierigkeiten haben die Explorationsteams während der sechswöchigen Tech-Exploration in der Wohlfahrt gemeinsam mit Mitarbeiter:innen und Klient:innen identifiziert und Lösungsansätze für den Algorithmen- und KI-Einsatz erarbeitet.

Folgende besonders vielversprechende Anwendungsideen wurden im Rahmen der Abschlussveranstaltung präsentiert:

  • Die Plattform Krak-E soll Menschen mit Behinderungen anhand ihrer Profildaten die bestmögliche Joboption vorschlagen und eine höhere Inklusion und Teilhabe ermöglichen.
  • Der KI-Therapie-Steuerungsassistent, der anhand von Klientendaten die bestmögliche Therapie für Suchterkrankte vorschlagen und Risikofaktoren aufzeigen soll.
  • Der Selbsthilfe-Gruppenfinder, der Menschen mit Gesprächsbedarf helfen soll, die passenden Gruppen für den gewünschten Austausch zu finden.
  • Smarti – ein automatisiertes Erkennen beim Scannen von Belegen, das die Verwaltungsprozesse in den Organisationen entlasten und Jugendliche befähigen könnte, mit digitalen Tools umzugehen.

Die Powerpoint-Präsentationen sind am Ende dieses Beitrages einsehbar. Die Videos der Präsentationen sind nun auch auf YouTube verfügbar.

Exploration in der Jugend-, Behinderten-, Sucht- und Selbsthilfe

In der im letzten Jahr veröffentlichen Publikation zum Konzept eines „Tech-Fellowships für die Freie Wohlfahrtspflege“ wurde deutlich, dass es aktuell noch kaum konkrete Anwendungsideen für KI- oder Algorithmeneinsätze in der Wohlfahrt gibt und diese erst identifiziert werden müssen. Genau das war das Ziel der sechswöchigen „Tech-Exploration in der Wohlfahrt“, ein von der Robert Bosch Stiftung gefördertes Projekt der Bertelsmann Stiftung.

Insgesamt haben die Teams 13 konkrete Anwendungsideen erarbeitet, die allesamt Schmerzpunkte in den Organisationen adressieren und einen unmittelbaren Mehrwert für die Klient:innen schaffen. Dabei sind diese Ideen von dem konkreten Problem ausgehend und in Zusammenarbeit mit den Mitarbeiter:innen und Klient:innen in den vier Wohlfahrtsorganisationen entstanden. Es kamen vielfältige Methoden zur Anwendung: von einer Zukunftswerkstatt und Persona Empathy Mapping, über Service Blue Prints und AI Canvas‘ bis zu Shadowing in den Einrichtungen und Interviews mit Betroffenen u. v. m. war alles dabei. Die Anwendungsideen, Erkenntnisse sowie die verwendeten Methoden der „Tech-Exploration“ werden in einer Publikation veröffentlicht.

Es hat sich gezeigt: Die „Tech-Exploration“ ist ein geeignetes Mittel, um gemeinwohlorientierte  Anwendungsideen für den Einsatz von Algorithmen und KI in der Wohlfahrt zu finden. Die vier Explorationsteams, bestehend aus jeweils zwei Explorierer:innen mit Expertise im Produktmanagement, Software-, UX und Service Design, haben im Rahmen von jeweils zweiwöchigen Sprints die ausgewählten Wohlfahrtsorganisationen begleitet: Zum einen ging es darum, Anwendungsfelder oder Prozesse zu identifizieren, die heute Schmerzen (sogenannte Pain Points) verursachen und verbessert werden können. In einem zweiten Schritt wurden Anwendungsfelder identifiziert werden, in denen der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) oder Algorithmen einen Mehrwert stiftet – besonders für Klient:innen, aber auch für Mitarbeite:innen. Schließlich wurde mindestens eine konkrete Anwendungsidee für den Algorithmen- oder KI-Einsatz herausgearbeitet, die von den Explorierer:innen im Rahmen der Abschlussveranstaltung präsentiert wurde.

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit: besondere Bedeutung der Einbeziehung vulnerabler Gruppen

Zu Beginn der „Tech-Exploration“ erarbeiteten die Explorationsteams zehn Gebote, die sie in der Arbeit während der sechs Wochen leiten sollten: etwa „Wir integrieren vulnerablen Gruppen in den Entwicklungsprozess und betrachten sie als Expert:innen für ihre eigenen Bedürfnisse und Perspektiven“ oder „ Wir reflektieren eigene Vorannahmen, Vorurteile und Biases und vermeiden es, die eigene Denkweise als Norm zu begreifen“. Bisher liegt der Fokus bei der Entwicklung von KI-Systemen oftmals zu sehr auf der technischen Lösung selbst und weniger auf der Verbesserung der Teilhabechancen und Lebensqualität der von der Technologie betroffenen Gruppen. Das sollte bei der Arbeit während der „Tech-Exploration“ besser gemacht werden, da es schon vor der eigentlichen Technologieentwicklung, nämlich bei der Problembetrachtung essenziell ist, die Bedürfnisse und Perspektiven der betroffenen Personen von Anfang an in den Entwicklungsprozess einzubinden. So kann sichergestellt werden, dass die Technologie tatsächlich dazu beiträgt, die identifizierten Probleme zu verbessern. Soweit der Anspruch. Im Abgleich mit der Wirklichkeit zeigte die Arbeit in den sechs Wochen, dass dies durchaus herausfordernd sein kann, zum Beispiel da manche Zielgruppen schwer erreichbar waren, gerade Kinder und Jugendliche.

Herausfordernd ja, aber lohnend – wenn man die Anwendungsideen betrachtet, die von den zu lösenden Problemen ausgehend entwickelt wurden. Die Einbeziehung von vulnerablen Gruppen ermöglicht es, ihre spezifischen Herausforderungen, Bedenken und Bedürfnisse besser zu verstehen und zu berücksichtigen, schon bevor eine Zeile Code geschrieben ist. Die „Tech-Exploration in der Wohlfahrt“ war deswegen ein gelungenes Format auf dem Weg zu einer inklusiven und partizipativen Technologieentwicklung, die bereits bei der allerersten Problembetrachtung und Ideengenerierung starten muss. Denn: Gemeinwohlorientierung beginnt schon vor dem ersten Buchstaben Code.

Die Präsentationen der Anwendungsideen:


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