Aus den 33 Bewerbungen sind vier Wohlfahrtsorganisationen ausgewählt worden, in denen seit Anfang Mai die Tech-Exploration stattfindet. Bis Mitte Juni werden konkrete Anwendungsideen für die Unterstützung durch algorithmische Systeme in den Bereichen der Jugend-, Sucht-, Behinderten und Selbsthilfe erarbeitet.  

 

Zwei Welten zusammenbringen – das und so viel mehr ist bei der Auftaktveranstaltung für die Tech-Exploration in der Wohlfahrt am 8. Mai in Berlin gelungen! Die vier für die Tech-Exploration ausgewählten Wohlfahrtsorganisationen – die Paulinenpflege Winnenden, der Evangelische Verein für Innere Mission in Nassau (EVIM), der Paritätische Wohlfahrtsverband Niedersachsen und der Therapieverbund Ludwigsmühle – trafen sich das erste Mal mit den Expert:innen aus dem Produktmanagement sowie Software-, UX- und Service Design.

Exploration in der Jugend-, Sucht-, Behinderten- und Selbsthilfe

Die 33 Bewerbungen aus der Wohlfahrt haben gezeigt, dass bei vielen Organisationen die große Hoffnung besteht, dass durch algorithmische Systeme Angebote verbessert werden und so Klient:innen bessere Leistungen erhalten können. Ebenso besteht ein großes Interesse, mehr über die Technologien zu lernen und Mitarbeitende durch Technologieeinsätze zu entlasten – insbesondere vor dem Hintergrund des zunehmenden Fachkräftemangels. Viele Bewerbungen gab es für die Bereiche der Jugendhilfe, der Beratung sowie der Alten- und Behindertenhilfe. Auf Basis der Motivation der Teilnehmenden, der Relevanz der vorgeschlagenen Arbeitsfelder und des Digitalisierungsgrads der Organisation wurden folgende Organisationen ausgewählt:

– Die Paulinenpflege aus Winnenden ist ein Berufsbildungswerk mit Schulen für hör- und sprachbehinderte Jugendliche und für Autist:innen sowie mit Werkstätten und Wohnangeboten für Menschen mit Behinderung. Startpunkt für die Exploration ist die Unterstützung im Care und Case Management, um u. a. das Matching zu erleichtern.

EVIM ist Träger von sozialen Einrichtungen und Diensten u. a. im Bereich Senioren-, Jugend- und Behindertenhilfe im Rhein-Main-Gebiet und in Rheinland-Pfalz. Potenziale sieht die Organisation im Anfragenmanagement für neue Jugendliche und die verbesserte Planung von zukünftigen Betreuungsfällen.

Der Paritätische Niedersachsen ist ein Wohlfahrtsverband von 900 eigenständigen Organisationen, Einrichtungen und Gruppierungen, die soziale Arbeit für andere oder als Selbsthilfe leisten. Das Explorationsteam wird ein besonderes Augenmerk auf Selbsthilfe-Kontaktstellen legen.

– Der Therapieverbund Ludwigsmühle bietet vielfältige Hilfen für suchtgefährdete, suchtkranke und im weiteren Sinne von Sucht betroffenen Menschen. Potenziale für einen möglichen KI-Einsatz sieht die Organisation in der Behandlungsplanung sowie in der Prognose von Rückfallwahrscheinlichkeiten.

Auftaktveranstaltung bringt (Sprach)welten zusammen

Während die einen ohne Probleme alle Sozialgesetzbücher bestimmen können, konnten andere im Eiltempo durch die englischsprachigen Fachbegriffe von Produktentwicklung führen. Schnell wurde bei der Auftaktveranstaltung klar, dass sich zwei unterschiedliche (Sprach)welten begegnen, wenn Tech-Expert:innen und Wohlfahrtsorganisationen zusammenkommen. Deswegen stand bei der Auftaktveranstaltung das gegenseitige Kennenlernen in den Teams aus zwei Explorierer:innen und den Mitarbeitenden der genannten Wohlfahrtsorganisationen im Fokus.

In einer vertrauensvollen und gelösten Atmosphäre wurden diskutiert, was unsere Zehn Gebote für den Umgang mit vulnerablen Gruppen bei der Tech-Exploration sein sollten. Es wurden dann sogar über 20 Gebote. Die Teilnehmenden tauschten sich auch darüber aus, wie sie in den Teams zusammenarbeiten wollen und mit welchen Hypothesen zum KI-Einsatz in den jeweiligen Wohlfahrtsorganisationen sie in die sechs Wochen starten möchten. Diese gilt es nun in den nächsten sechs Wochen zu validieren und gegebenenfalls auch wieder zu verwerfen, um am Ende der Tech-Exploration ein klareres Bild zu haben, wie und in welchen Arbeitsfeldern die Technologien sinnstiftend und gemeinwohlorientiert eingesetzt werden kann.

Gemeinsames Ziel – offener Prozess

Das methodische Vorgehen für die sechswöchige Exploration lässt sich in drei Schritte aufteilen: (1) Verständnis aufbauen, (2) Arbeitsfelder ausweiten und validieren sowie (3) Synthese und Lösungen definieren (siehe Abbildung). Angelehnt an das Konzept des „Design Thinkings“ befindet man sich zunächst im sogenannten Problemraum, in dem es besonders um Verstehen, Empathie und Synthese geht. Daran schließt sich der sogenannten Lösungsraum an, in dem es um Ideen, Prototyping und Testen gehen wird. Die Tech-Exploration wird sich aber zunächst vor allem mit dem Problemraum beschäftigen, um in der Synthese erste Ideen zu formulieren. Ziel des Design Thinkings ist es, iterativ und mit den Nutzer:innen eine innovative und verbesserte Lösung für ein reales Problem zu finden.Zeitplan Techexploration

Wichtiger als der Prozess sind aber die drei Ziele, die alle Teams bis zur Abschlussveranstaltung am 16. Juni erreichen wollen:

1) Anwendungsfelder oder Prozesse identifizieren, die heute Schmerzen verursachen und verbessert werden können.

2) Anwendungsfelder identifizieren, in denen der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) oder Algorithmen einen Mehrwert stiftet – besonders für Klient:innen.

3) Mindestens einen konkreten Anwendungsfall von KI/Algorithmen herausarbeiten.

In den nächsten sechs Wochen werden die Teams aus den Welten Technologie und Wohlfahrt zusammenarbeiten, um Potenziale für den KI-Einsatz in den Arbeitsbereichen zu explorieren. Auf Twitter und LinkedIn werden wir laufend berichten.

Die Tech-Exploration ist ein Projekt der Bertelsmann Stiftung und wird von der Robert Bosch Stiftung gefördert.


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