„Wir nehmen vor allem die Erkenntnis mit, dass Künstliche Intelligenz (KI) auch im Gemeinwohl und der sozialen Arbeit einen wertvollen Beitrag leisten kann“, so resümiert Laura Bürkle von der Paulinenpflege Winnenden e.V. ihre Erfahrungen mit der „Tech-Exploration in der Wohlfahrt“ (mehr Informationen zur Tech-Exploration lassen sich hier finden).
Ob in der Pflege, in Kitas oder in der Schulsozialarbeit: Es gibt mehr Arbeit als Menschen, die sie machen – die pflegen, betreuen und beraten wollen. Der Renteneintritt der Baby-Boomer-Generation und der demografische Wandel verschärfen diesen Trend noch. Gleichzeitig werden die Vorteile der Digitalisierung im Allgemeinen und Technologien wie Künstliche Intelligenz im Speziellen noch viel zu selten für die Zukunftssicherung des Sozialstaats genutzt. Wenn man diese beiden Aspekte stärker zusammenbrächte, ließen sich eine spürbare Entlastung sowie Qualitätssteigerung in sozialen Berufen erreichen. Es wäre möglich, Dokumentationspflichten und Verwaltungsaufgaben sehr viel schneller zu erledigen, wodurch mehr Raum für die eigentliche Kernarbeit in den verschiedenen Bereichen entstünde.
Die größte Herausforderung bleibt die Finanzierung solcher Innovationen
Alle Teilnehmenden der Tech-Exploration waren insbesondere darüber frustriert, wie schwer es ist, Ressourcen für die Entwicklung von passgenauen KI-Lösungen in der Wohlfahrt zu finden. Die meisten Finanzierungsmechanismen sind zeitlich begrenzt und nicht langfristig gesichert, was die Umsetzung komplexerer KI-Vorhaben nahezu unmöglich macht.
Grundsätzlich passe der Bereich der Digitalisierung nicht mit der bestehenden Logik der Refinanzierung des Sozialen zusammen, sagt Simon Domberg vom Paritätischen Wohlfahrtsverband Niedersachsen. Durch die Tech-Exploration wurde deutlich, dass es nicht an Ideen für Innovation mangelt, sondern schlichtweg die Frage der Refinanzierung ungelöst ist.
Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit wächst
Christian Hohendanner, Jasmin Rocha und Joß Steinke zeichnen in ihrem Buch „Vor dem Kollaps!? Beschäftigung im sozialen Sektor. Empirische Vermessung und Handlungsansätze“ (2024) ein düsteres Bild. Mehr und mehr Leistungen der sozialen Daseinsvorsorge würden nicht mehr zuverlässig erfüllt und es bestehe das Risiko, dass diese zukünftig wegbrechen werden. Dieses wachsende Problem sei in unserer von vielfältigen parallelen Krisen geprägten Zeit noch nicht ausreichend bis in die Öffentlichkeit und Politik vorgedrungen.
Dabei ist Künstliche Intelligenz kein Allheilmittel. Der Fachkräftemangel wird sich nicht durch ein paar Zeichen Code lösen lassen. Ebenso wenig werden digitale Assistenzsysteme eine qualitativ hochwertige Betreuung von Kindern oder Alten ersetzen können. Aktuell ist die Situation aber so, dass die Vorteile dieser Technologien in der Wohlfahrt kaum zum Einsatz kommen. Damit können sie noch nicht mal den relevanten Beitrag zur Lösung von Problemen leisten, der möglich wäre.
Für die Zukunftssicherung braucht es neue Kooperationen
Deutschland hat eine starke Zivilgesellschaft. Dabei stehen sowohl Vereine wie auch Stiftungen im Zentrum, die sich für mehr Gemeinwohl und Teilhabe einsetzen. In der Arbeit zur „Tech-Exploration“ ist deutlich geworden, wie wenig Ressourcen bisher an der Schnittstelle von Digitalisierung und Wohlfahrt gebündelt werden. Es gibt Initiativen für das eine und das andere, aber kaum für die Verbindung der beiden Felder.
Damit die vielen guten Ideen zur Zukunftssicherung des Sozialstaates vom Denken ins Handeln kommen, braucht es neue Kooperationen: zwischen sozialer Arbeit und digitalen Technologien, aber auch zwischen gesellschaftlichen Akteuren, die sich in dem Bereich engagieren, und Technologie-Expert:innen.
Dies ist eine deutlich gekürzte und leicht adaptierte Fassung des Artikels „Zukunftssicherung des Sozialstaats – Neue Zusammenarbeit mit Künstlicher Intelligenz und ihre Tücken“ aus dem Magazin „Stiftung&Sponsoring“ 03.24 (https://doi.org/10.37307/j.2366-2913.2024.03.06)
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