Warum sollten Kunstschaffende und KI-Forscher:innen zusammenarbeiten? Welche Rolle spielen Algorithmen für die Sockenbestellung bei Amazon? Und welche menschlichen Fähigkeiten gilt es im KI-Zeitalter zu fördern?

Diese und viele weitere Fragen und die ein oder andere Antwort erwarten Sie diese Woche im Erlesenes-Newsletter.


?Künstliche Intelligenz oder künstliche Dummheit?

21. Juli 2018, NZZ

Um Künstliche Intelligenz (KI) und ihre kulturellen und sozialen Auswirkungen besser zu verstehen, sollten wir auf Künstler:innen hören. So lautet der Appell des Kunstkurators Hans Ulrich Obrist in diesem NZZ-Beitrag. Obrist thematisiert die historischen Parallelen zwischen Kunst und Wissenschaft und erklärt, wieso gerade Kunst dabei helfen könne, die Herausforderungen der algorithmischen Welt zu meistern: Algorithmen arbeiten oft unbemerkt im Hintergrund. Gleichzeitig gehöre gerade die “Sichtbarmachung des Unsichtbaren” zu den Aufgaben und Stärken der Kunst. Was in der sogenannten “Black Box” geschieht, lasse sich durch “künstliche Bilder” zurück in die reale Welt projizieren. Obrist zitiert in seinem Text die Künstlerin Hito Steyerl, die der Ansicht ist, dass Künstliche Intelligenz oft überbewertet wird, weshalb sie lieber von “Künstlicher Dummheit” spricht. Steyerl ist eine von vielen künstlerisch aktiven Personen, die sich verstärkt über KI Gedanken machen. Der Austausch zwischen ihnen und KI-Forscher:innen sei sehr wichtig, konstatiert Obrist.


?Bei Amazon erledigt die KI alles

(All the ways Amazon’s AI brought me the socks I am wearing right now), 5. Oktober 2018, CNN Business

Schilderungen über den Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI) mögen manchmal abstrakt und theoretisch klingen. Doch spätestens beim Blick auf die Prozesse einer Bestellung bei Amazon wird allen klar: In der Praxis läuft fast nichts mehr ohne KI. Matt McFarland, Technologiereporter bei CNN, schildert am Beispiel des Kaufs eines Paares Socken, wie bei dem Onlinehandelsriesen vom Moment der erste Suche nach Strümpfen bis zur Lieferung an die Tür eine enorme Zahl an unterschiedlichen Algorithmen zum Einsatz kommt . Welche Produkte Nutzer:innen zuerst angezeigt werden, aus welchem Lieferzentrum die Ware versendet wird, wie die Ware für den Versand vorbereitet wird, welche Route der Bote fährt – über all diese Vorgänge entscheiden KIs. Menschen assistieren im besten Fall. “Amazon nutzt KI vermutlich ausgiebiger als jedes andere Unternehmen auf der Erde”, erfahren die Leser:innen in McFarlands Bericht.


?Werkzeuge zur Schaffung einer ethischen Datenwissenschaft

(Care about AI ethics? What you can do, starting today), 25. September 2018, Medium

Die Grundlage jedes algorithmischen Wirkens sind Daten. Ethische Fragestellungen beginnen deshalb bereits dann, wenn es um die Beschaffung dieser Daten geht. DJ Patil, der ehemals leitende Datenwissenschaftler der Obama-Administration, hat daher ein Rahmenwerk für ethisches Datensammeln entwickelt, das sich an die “goldene Regel” anlehnt: “Behandle die Daten anderer so, wie du deine Daten behandelt haben möchtest”. In einem hier vom KI-Experten Steven Adler zusammengefassten Vortrag präsentierte Patil außerdem eine Checklist, anhand derer Teams datenwissenschaftlicher Projekte die ethischen Konsequenzen ihres Handelns besser abschätzen können. Es folgte eine Reihe von Maßnahmen, mit denen Individuen in die Lage versetzt werden sollen, Probleme zu erkennen und in Zweifelsfällen zu intervenieren – ungeachtet davon, ob sie für ein existierendes Daten- oder KI-Projekt anheuern wollen oder ob sie bereits an einem solchen mitwirken.


?Die wichtigste Fähigkeit im Zeitalter von KI ist mentale Anpassungsfähigkeit

(The Most Important Survival Skill for the Next 50 Years Isn’t What You Think), 30. September 2018, GQ

Viel werde über die Auswirkungen Künstlicher Intelligenz (KI) spekuliert, aber eigentlich sei nur sicher, dass nichts sicher ist. Die wichtigste menschliche Eigenschaft für die nächsten 50 Jahre sei deshalb mentale Anpassungsfähigkeit und emotionale Intelligenz. Das erklärt der Historiker und bekannte Buchautor Yuval Harari in einem Interview mit dem GQ-Journalisten Clay Skipper. Harari weist auf die exponentielle Beschleunigung der Fähigkeiten von KI hin. Diese habe zur Folge, dass der durch sie ausgelöste gesellschaftliche Wandel nicht nur einmal geschehen wird, sondern immer wieder. Harari beunruhigt unter anderem, wie gut Algorithmen darin seien, Menschen zu impulsgetriebenen Handlungen zu verleiten. Allerdings könne die gleiche zugrunde liegende Technologie in selbstfahrenden Autos das Leben von Millionen Menschen retten. Entsprechend gebe es keinen Grund zur Verteufelung, aber auch nicht dazu, in KI die Lösung aller Probleme zu sehen, meint Harari.


?Warum ein KI-Bot Mario spielen kann, aber nicht Pokémon

(Why Can a Machine Beat Mario but not Pokemon?), 2. Oktober 2018, Towards Data Science

Künstliche Intelligenz (KI) meistert bereits eine ganze Reihe an mehr oder weniger komplexen Spielen, darunter Schach, Go und das Kultvideogame Mario. Doch noch scheitern Algorithmen an bestimmten Spielen, wie etwa Pokémon. Warum? Der Computerwissenschaftler Shayaan Jagtap präsentiert in diesem Stück die Antwort, indem er drei elementare Unterschiede zwischen Mario und Pokémon vorstellt. So gebe es zum Beispiel bei Super Mario nur ein klares Ziel und eine eindeutige Richtung: So weit nach rechts zu kommen wie möglich, ohne den Videospieltod zu sterben. Bei Pokémon hingegen gebe es eine große Zahl an möglichen Zielen. Allein die Frage nach ihnen sei seltsam, da völlig subjektiv, so Jagtap. Auch müssen in dem Spiel viele Aufgaben auf einmal gelöst werden. Algorithmen sind jedoch Spezialisten im Meistern expliziter Aufgaben. An Pokémon scheitert heutige KI daher bislang.


Das war‘s für diese Woche. Sollten Sie Feedback, Themenhinweise oder Verbesserungsvorschläge haben, mailen Sie uns gerne: carla.hustedt@bertelsmann-stiftung.de 

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