Die Debatten in sozialen Netzwerken sind immer stärker von Polarisierung und Fragmentierung geprägt. Eine wesentliche Rolle dabei spielen die Empfehlungsalgorithmen großer Onlineplattformen, die die Verbreitung von reißerischen und spalterischen Inhalten fördern. Wie Algorithmen zu einem besseren digitalen Diskurs beitragen können, zeigen wir in einer interaktiven Web-Publikation.

Nicht erst seit der Übernahme von X (vormals Twitter) durch Elon Musk zeigt sich, dass der digitale Diskurs zunehmend von Fragmentierung und Polarisierung geprägt ist. Eine große Rolle spielen die Empfehlungssysteme von Onlineplattformen. Diese basieren auf algorithmischen Entscheidungssystemen und sind gegenwärtig darauf ausgerichtet, die Interaktion mit Inhalten zu maximieren. Das Entscheidende dabei ist nicht die Qualität der Inhalte, sondern dass Inhalte möglichst viel geklickt, geliked, geteilt und kommentiert werden. Die Konsequenz ist, dass oftmals reißerische und spalterische Inhalte präferiert werden. Der Grund für diese Empfehlungssysteme ist simpel: Durch eine größere Verweildauer auf der Plattform werden die Werbeeinnahmen erhöht.

Doch es geht auch anders: Onlineplattformen können ihre Empfehlungssysteme auch so ausrichten, dass nicht nur die Maximierung von Interaktion entscheidend ist. Dafür müssten sie ihren Empfehlungssystemen auch andere Kriterien zugrunde legen, wie zum Beispiel die Wahrscheinlichkeit, dass zwei verschiedenen Meinungsgruppen einem Inhalt zustimmen. Nach diesem Grundsatz funktionieren Bridging-Algorithmen, die gegenseitiges Verständnis und produktive Auseinandersetzungen fördern.

Bridging-Algorithmen funktionieren nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis

Es gibt bereits erfolgreiche Beispiele für solche Empfehlungssysteme: etwa das Umfragesystem „pol.is“, das 2012 entwickelt wurde und von der US-amerikanischen Nichtregierungsorganisation „The Computational Project“ betrieben wird. Dieses Open-Source-Tool zielt darauf ab, in Diskussionen Meinungsbilder zu visualisieren, um möglichst konsensfähige Debattenbeiträge zu identifizieren. Pol.is wurde bereits in verschiedensten Kontexten erfolgreich eingesetzt. So auch 2015 in Taiwan, als die Regierung ein Meinungsbild zur Markteinführung von UberX ermitteln wollte.

Ein weiteres Beispiel ist die Funktion „Kollektive Anmerkungen“ zur Moderation von Inhalten auf Twitter/X. Hierbei können Nutzer:innen gemeinsam Kommentare zu potenziell irreführenden Beiträgen verfassen. Es werden nur diejenigen Kommentare veröffentlicht, die von Personen mit unterschiedlichen Meinungen als hilfreich bewertet wurden.

Mit Bridging-Algorithmen zu besseren digitalen Diskursen

Diese beiden Beispiele zeigen, dass Bridging-Algorithmen in vielen Kontexten erfolgreich funktionieren. Was bislang jedoch fehlt, ist, dass die großen Onlineplattformen ihrer gesellschaftlichen Verantwortung für bessere digitale Diskurse stärker nachkommen und dafür z. B. Bridring-Algorithmen einsetzen. Dafür müssten sich Plattformen nicht vollständig neu ausrichten, sondern die bestehenden Empfehlungssysteme um Bridging-Kriterien erweitern. Gegenwärtig unternehmen sie noch zu wenig, um Fragmentierung und Polarisierung entgegenzuwirken. Deswegen braucht es parallel größeren öffentlichen und politischen Druck und im Zweifelsfall auch Regulierung.

Mit unserer Web-Publikation wollen wir das Thema Bridging-Algorithmen bekannter und verständlicher machen. Damit wollen wir einen Beitrag leisten, dass auf produktive Auseinandersetzungen gerichtete Empfehlungsalgorithmen von Plattformen irgendwann nicht mehr nur Ausnahme, sondern Regelfall sind.


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