Chatbots in inklusiver Sprache können einen Beitrag für mehr Teilhabe leisten. Welche Hürden bei der anwendungsfreundlichen Umsetzung bestehen, haben wir in einem Expert:innenworkshop Mitte August diesen Jahres diskutiert.

Jeder siebte Erwachsene in Deutschland ist funktionaler Analphabet und hat Probleme damit, zusammenhängende kürzere Texte zu verstehen. Damit ist die Beschreibung von komplexen Sachverhalten, wie zum Beispiel von Datenschutzbestimmungen, für 7,5 Millionen Menschen ein noch größeres Problem als für alle anderen, die sie lesen müssten. Wenn so ein Sachverhalt in Leichte Sprache übersetzt wird, ermöglicht es mehr Teilhabe. Beim Chatbot Ina des Integrationsamts in Schleswig-Holstein klingt die Interaktion zu den Datenschutzbestimmungen dann so: „Ich merke mir unser Gespräch. Ich merke mir auch persönliche Informationen.“

Auf den Chatbot Ina sind wir auf unserer – gemeinsam mit dem betterplace lab betriebenen – Suche nach gemeinwohlorientierten Algorithmeneinsätzen gestoßen (mehr zur schwierigen Recherche hier). Wir widmen uns der Suche nach gemeinwohlorientierten Anwendungsfällen aus Zivilgesellschaft und dem öffentlichen Sektor, weil der Diskurs über Algorithmen und Künstliche Intelligenz (KI) maßgeblich von wirtschaftlichen Akteuren bestimmt ist. Im Projekt reframe[Tech] wollen wir dazu beitragen, dass mehr gemeinwohlorientierte Anwendungsfälle bekannt werden. Im vergangenen Jahr hatten wir bereits ein erstes Impulspapier zur algorithmenbasierten Kitaplatzvergabe veröffentlicht. Bis Ende des Jahres werden wir auch ein Impulspapier über die Potenziale und Hürden des Chatbots Ina schreiben. Als Grundlage für das Papier haben wir zusammen mit dem betterplace lab im August 2022 einen Workshop organisiert, um die Blickwinkel von Expert:innen zu Chatbots, leichter Sprache und UX-Design zusammenzubringen.

Inklusive Sprache kann das Machtgefälle zwischen Bürger:innen und Verwaltung reduzieren

Zentrale Frage des Workshops war, was die Potenziale und Hürden inklusiver Chatbots sind und wie der Einsatz erfolgreich sein kann. In einer Mischung aus Impulsvorträgen und Diskussionsrunden wurden schnell die Potenziale, die mit Chatbots in leichter Sprache verbunden sind, deutlich: So können sie dabei helfen, Frust aufseiten der Bürger:innen zu vermeiden, indem eine höhere Erreichbarkeit geschaffen wird. Leichte Sprache kann zudem die Scheu vor Ämtern und Behörden reduzieren und so für ein geringeres Machtgefälle sorgen. Tatsächlich stellte sich im Workshop schnell heraus, dass sich alle Teilnehmenden leichte Sprache in der Kommunikation mit Behörden wünschen. Leichte Sprache ist also kein Nischenthema, sondern kann das Leben von allen Menschen leichter machen.

Fehlende Datensätze und eine zerstückelte Informationsarchitektur als wesentliche Herausforderungen

Gleichzeitig gibt es eine Reihe von Hindernissen, die der Nutzung von inklusiven Chatbots noch entgegensteht. Besonders zwei Herausforderungen kristallisierten sich in dem Workshop heraus. Aus technischer Perspektive stellen die fehlenden Trainingsdatensätze in leichter Sprache ein Hindernis für die teilautomatisierte Übersetzung in leichte Sprache dar. Diesem Mangel könnte wiederum begegnet werden, indem Anbieter:innen von inklusiven Chatbots ihre Datensätze frei zur Verfügung stellen, um größere Kollaboration zu ermöglichen. Denkbar wäre auch eine Vereinheitlichung der Datenstruktur bei Chatbots und das Teilen der Datensätze auf einer Open-Data-Plattform.

Als zweite zentrale Herausforderung wurde das Fehlen eines ganzheitlichen Ansatzes bei der Entwicklung von Chatbots kritisiert. Zu oft sind Serviceangebote aus der Verwaltung, zu denen auch Chatbots gehören, sehr fragmentiert und nicht aufeinander abgestimmt. Ein Beispiel dafür ist, dass bei der Entwicklung eines Chatbots auch die Website mitgedacht werden muss. Da viele Chatbots auf bereits bestehende Broschüren der Verwaltung verweisen, ist es wichtig, auch diese anzupassen. So wäre die Wirkung eines inklusiven Chatbots verfehlt, wenn dieser auf Informationen hinweist, die nicht in leichter Sprache aufbereitet sind. Deswegen sollte die Informationsarchitektur von Verwaltungen generell so ausgerichtet sein, dass die Klickwege auf Webseiten möglichst kurz sind und Nutzer:innen möglichst wenig Eingaben machen müssen.

Entscheidend ist die Vernetzung und Kollaboration über Disziplinen hinweg

Die größte Erkenntnis des Workshops war, dass es einer Kollaboration über Disziplinen hinweg bedarf, um gemeinwohlorientierte Anwendungsfälle erfolgreich zu entwickeln. Dabei sollte nicht das technisch Mögliche im Zentrum der Entwicklung stehen, sondern die Adressierung des sozialen Problems. Und gerade wenn Technologie in die Sphäre des Gesellschaftlichen eindringt, wird Pluralität der Perspektiven entscheidend. Im konkreten Fall des Chatbot Ina bedeutet das, dass neben dem technischen Blickwinkel auf die Anwendung insbesondere die Perspektiven von denjenigen eingebunden werden muss, die mit der Anwendung besonders adressiert werden. Ebenso ist eine UX-Design-Perspektive ein ganz elementarer Baustein dafür, dass eine konkrete Anwendung wie der Chatbot Ina wirkungsvoll zu mehr Teilhabe führen kann.

Diese ersten Erkenntnisse werden wir in den kommenden Wochen vertiefen und in einem Impulspapier verschriftlichen. Damit wollen wir einen Beitrag dazu leisten, dass die Potenziale von inklusiven Chatbots im Diskurs über Algorithmen und KI bekannter werden und Menschen motiviert sind, Lösungen für die bestehenden Herausforderungen zu finden. Denn es sollte mehr Menschen möglich sein, an den Informationen im Internet teilzuhaben.


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