Mit der Omnibus Agenda und dem Digital Package will die Europäische Kommission den europäischen Rechtsrahmen modernisieren und an die Anforderungen des digitalen Zeitalters anpassen. Ein zentraler Baustein dabei ist der AI Act, das europäische Regelwerk für den verantwortungsvollen Umgang mit Künstlicher Intelligenz. Wie dessen Umsetzung und mögliche Vereinfachung gelingen können, skizziert unser White Paper „Simplifying European AI Regulation“.

Europas Regulierung im Wandel: Omnibus Agenda

Mit seinem Bericht zur Wettbewerbsfähigkeit Europas hat Mario Draghi 2024 eine zentrale Debatte neu entfacht: Europas wirtschaftliche Stärke hängt entscheidend davon ab, wie gut Innovation, Regulierung und technologische Leistungsfähigkeit zusammengedacht werden.
Eine seiner Kernempfehlungen lautete, bestehende EU-Vorschriften zu vereinfachen und besser aufeinander abzustimmen, um die Wettbewerbsfähigkeit langfristig zu sichern.

Darauf reagiert die Europäische Kommission mit der geplanten Omnibus Agenda, die bis 2030 eine umfassende Modernisierung und Entlastung des europäischen Rechtsrahmens vorsieht.
Sie umfasst sechs thematische Omnibus-Pakete, die von Nachhaltigkeit und Investitionen bis hin zu Landwirtschaft, Sicherheit und Industrie verschiedene Politikfelder abdecken.

Der AI Act im politischen Stresstest

Ein Jahr nach Vorlage seines Berichts betonte Mario Draghi auf High-Level-Konferenz zur Wettbewerbsfähigkeit, dass der AI Act exemplarisch für die Herausforderungen einer modernen Regulierung steht. Während erste Regelungen bereits umgesetzt wurden, bleibe, so Draghi, die nächste Phase entscheidend, insbesondere bei Hochrisiko-Systemen in sensiblen Bereichen wie Gesundheit, Verkehr oder kritischer Infrastruktur. Hier müsse Regulierung verhältnismäßig bleiben, um Innovation und Wettbewerbsfähigkeit nicht zu hemmen.

Damit wird der AI Act, kaum in Kraft getreten und noch ohne umfassende Umsetzungserfahrungen, bereits zum Gegenstand von Diskussionen über mögliche Anpassungen. Im Rahmen des Digital Package als Teil von Omnibus IV soll er überprüft werden. Dieses Paket konzentriert sich auf Digitalisierung und Bürokratieabbau, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU), mit dem Ziel, digitale Rechtsakte besser aufeinander abzustimmen und deren Anwendung zu erleichtern.

Die Debatte zeigt, wie stark das Spannungsfeld zwischen Regulierungsanspruch, Umsetzbarkeit und Innovationsdynamik derzeit in Bewegung ist.

Vereinfachung als Prinzip: Das White Paper im Überblick

Vor diesem Hintergrund hat die Bertelsmann Stiftung, unterstützt durch den KI-Bundesverband, das White Paper „Simplifying European AI Regulation“ veröffentlicht.
Die Autor:innen Prof. Dr. Philipp Hacker, Dr. Robert Kilian und Prof. Dr. Jana Costas zeigen darin, wie sich der AI Act praktikabler gestalten lässt, ohne an Schutzwirkung zu verlieren.

Das White Paper versteht sich als konstruktiver Beitrag zur europäischen Regulierungsdebatte und verdeutlicht anhand konkreter Beispiele, dass Vereinfachung nicht Deregulierung bedeutet, sondern eine Stärkung von Klarheit, Kohärenz und Grundrechtsschutz.

Komplexität abbauen, Rechtsklarheit schaffen

Die Analyse basiert auf 15 Interviews und einem interdisziplinären Workshop mit Expert:innen aus Wirtschaft, Wissenschaft und Zivilgesellschaft.
Das Ergebnis zeigt: Nicht der AI Act selbst ist das größte Hindernis, sondern seine unzureichende Abstimmung mit bestehenden europäischen Rechtsakten.
Besonders KMU stehen vor der Herausforderung, verschiedene Pflichten aus mehreren Regelwerken gleichzeitig erfüllen zu müssen, was zu einem Umstand, der zu hohen administrativen Belastungen und Rechtsunsicherheit führt.

Eine Vereinfachung im Rahmen des Digital Package, wenn es gut umgesetzt wird, kann mehr Verständlichkeit und Rechtssicherheit schaffen. Durch eine bessere Verzahnung der Regelwerke lassen sich Doppelstrukturen vermeiden, Grundrechte stärken und Innovationspotenziale freisetzen (vgl. hierzu auch: Umsetzung des AI Act: Viele Spannungsfelder mit bestehenden Regulierungen – reframe[Tech] )

Ausblick

Das White Paper bildet die Vorstufe zu einer vertieften Analyse, die Ende November 2025 erscheint.


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